Azorenhoch und Islandtief: Die Wettermacher in Deutschland | Weather.com (2024)

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Auf einen Blick

  • Das Islandtief und das Azorenhoch bestimmen das Wetter in ganz Europa
  • Ob es nun regnerisch durchwachsen oder sonnig wird, hängt ganz vom Wechselspiel der beiden Wettermacher ab

„Zwischen einem Tief bei Island und einem Hoch über den Azoren strömt milde und feuchte Luft nach Deutschland.“ Sätze wie dieser waren in früheren Jahren in der Wettervorhersage ein Standard. Im Sommer bedeutete dies Dauerregen, im Winter keinen Schnee, oder bestenfalls Schneematsch.

Tatsächlich sind diese beiden Drucksysteme die wichtigsten Wettermacher für Europa. Von ihrer Lage und dem Druckgefälle zwischen ihnen hängt es ab, ob es regnet, stürmt, schneit oder die Sonne scheint. In der Regel bringt das Islandtief unbeständiges Wetter und führt feuchtkalte Luft heran. Dominiert das Azorenhoch, ist ruhiges und sonniges Wetter angesagt.

Die Heimat der Klimaschaukel

Meteorologisch gesehen hat die Klimaschaukel ihren Ursprung am Äquator. Dort steigt von der Sonne erwärmte Luft nach oben strömt mehreren Kilometern Höhe in Richtung der Pole.

Ungefähr zwischen 25 und 40 Grad nördlicher und südlicher Breite sinken diese Luftmassen wieder ab, dabei entstehen dort eine Reihe von Hochdruckgebieten. Sie bilden den subtropischen Hochdruckgürtel.

Wanderung mit den Jahreszeiten

Auch das Azorenhoch gehört dazu. Es entsteht nahe der namensgebenden Inselgruppe über dem Atlantik an einem Wirbel eines der großen Strahlströme (Jetstreams), die sich in größerer Höhe um die Erde ziehen. Deshalb ist es sehr beständig und auch stets für längere Zeit ortsfest.

Allerdings wandert der Hochdruckgürtel mit den Jahreszeiten. Wird es Sommer auf der Nordhalbkugel, verlagert er sich nordwärts. Auch das Azorenhoch driftet teilweise weit nach Norden oder Nordosten. Manchmal dehnt es sich dabei in Form eines Keiles bis nach Mitteleuropa aus. Dann strömt warme und feuchte Meeresluft ein.

Das Azorenhoch und die Siebeschläferregel

Im Frühjahr ist das Wetter dadurch oft instabil – eben das typische Aprilwetter –, und es kann noch einmal heftig schneien. Andererseits löst ein schneller Aufbau des Azorenhochs vorzeitige Wärmeperioden aus.

Dieser Prozess steht auch hinter der „Siebenschläferregel“, derzufolge das Wetter, das am oder um den Siebenschläfertag (27. Juni) herrscht, 40 Tage lang anhält. Entscheidend dafür ist, wo und wie stark sich das Azorenhoch nach der Sommersonnwende aufgebaut hat.

Warmluftbrücke bringt extreme Hitze

Verbindet sich einer seiner Hochdruckkeile mit einem kontinentalen Hoch, etwa über Russland, sprechen die Meteorologen von einer Omegalage (nach der Form des griechischen Buchstabens Ω). Diese stabile Konstellation mit einer Warmluftbrücke zwischen zwei Zentren führte beispielsweise zu der Hitzewelle vom August 2003. Zwei Wochen lang lagen die Temperaturen damals bei 40 Grad Celsius.

Wenn sich das Hoch nach Norden verschiebt, verlagert sich auch die „Einflugschneise" der Tiefdruckgebiete, die vom Nordpolarmeer kommen, weiter Richtung Pol. Dann regnet es in Nordeuropa, doch in Mitteleuropa ist das Wetter gut.

Südlich abgedriftet

Wird es dagegen nach Süden abgedrängt, gelangen mit den hier vorherrschenden Westwinden Tiefausläufer nach Mitteleuropa und werden dort wetterbestimmend. Dies war 2002 der Fall, als das Azorenhoch extrem weit südlich lag. In der Folge drangen polare Luftmassen bis über das Mittelmeer vor.

Dort erwärmten sie sich und nahmen viel Feuchtigkeit auf. Als sie später über die Alpen zogen, kühlte sich die Luft wieder ab. Sintflutartige Regenfälle setzten ein, die letztlich zum katastrophalen Elbehochwasser führten.

Das Islandtief - der Gegenspieler

Der große Gegenspieler des Azorenhochs ist das Islandtief. Ist es stark ausgeprägt, entstehen an seiner Südseite oft Serien kleinerer Tiefdruckgebiete, die in rascher Folge nach Mittel- und Nordeuropa ziehen. Dort wird das Wetter entsprechend wechselhaft.

Im Winter spielen vor allem die Luftdruckunterschiede eine Rolle. Ist das Gefälle groß – also sehr hoher Druck bei den Azoren und besonders tiefer bei Island –, resultiert eine starke westliche Strömung, die den Winter in Mitteleuropa mild und niederschlagsreich gestaltet.

So kommt der Altweibersommer

Bei niedrigem Gefälle kann sich das russische Kältehoch weit nach Westen ausdehnen, weshalb die Temperaturen auch in Mitteleuropa in den Keller gehen. In frühen Herbst sind die Druckunterschied oft nur noch gering, weil sich die Temperaturen von Meer und Landmassen angeglichen haben. Es stellt sich eine ruhige Wetterlage ein, bekannt als Altweibersommer.

Sinken später dann die Temperaturen, führen westliche Lagen Herbstorkane heran, bis sich im Winter die Situation wieder stabilisiert hat.

Entdeckung der Klimaschaukel

Die Luftdruckgegensätze sind indes größeren Schwankungen unterworfen, der so genannten nordatlantische Oszillation (kurz NAO). Die Druckdifferenz wird mit dem sogenannten NAO-Index beschrieben. Er ist immer dann positiv, wenn sowohl Islandtief als auch Azorenhoch besonders stark ausgeprägt sind.

Schwächen sich die Systeme dagegen ab, wird der Index negativ. Entdeckt hatte die Klimaschaukel der Däne Hans Egede Saabye, der in den 1770er-Jahren als Missionar auf Grönland lebte. Dabei fiel ihm auf, dass die Winter in Dänemark immer dann besonders kalt waren, wenn es in Grönland viel wärmer war als sonst. Damals gab es noch keine Erklärung für das Phänomen.

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Niedriger Index führt zu lauen Lüftchen

Heute wissen die Meteorologen, dass bei einem positiven NAO-Index kräftige Westwinde entstehen, die über dem Golfstrom viel Wärme und Wasserdampf aufnehmen und nach Mitteleuropa transportieren.

Milde, feuchte und teilweise sehr stürmische Winter sind die Folge. Bleibt der Index niedrig, werden die Westwinde eher zu lauen Lüftchen. Dafür dringen polare Luftmassen weit nach Mitteleuropa vor. Dies war in den 1950er- und 1960er-Jahren der Fall, als Frost und teils massive Schneefälle die Winter in Deutschland bestimmten.

Klimawandel ebnet das Druckgefälle

Verursacht werden die Schwankungen vom Golfstrom: Bringt er besonders warmes Wasser bis nach Labrador, schwächt sich das Islandtief ab, der NAO-Index wird negativ. Kühles Wasser im Golfstrom sorgt dagegen für ein ausgeprägtes Islandtief, so dass der Index positiv wird.

In den vergangenen Jahren war der Indes überwiegend positiv. Das dürfte aber nicht so bleiben, denn der Klimawandel ebnet das Druckgefälle zwischen Islandtief und Azorenhoch ein. Die Arktis erwärmt sich überdurchschnittlich stark, und das sommerliche Polareis schrumpft.

Winter fallen trotz Erderwärmung eiskalt aus

Zugleich schwächt sich das Azorenhoch ab. Deshalb verringern sich die Druckunterschiede zwischen beiden Systemen, und damit ändert sich auch unser Wetter. Offenbar lassen die westlichen Winde nach und werden je nach Jahreszeit von Nord-Süd- bzw. Süd-Nord-Strömungen abgelöst. Das bedeutet, dass die Winter trotz Erderwärmung eiskalt ausfallen können, im Sommer fließt dagegen zunehmend heiße Wüstenluft aus der Sahara heran.

Zudem ziehen die Tiefs nicht mehr wie gewohnt über das mitteleuropäische Festland, sondern werden weit nach Süden gelenkt, wo sie sich über dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer mit Feuchtigkeit vollsaugen.

Mehr Wirbelstürme in Zukunft?

Oft drehen sie dann zurück nach Westen und regnen an den Alpen ab, was Tschechien, Polen, Sachsen und Süddeutschland Hochwasser beschert. Die Meteorologen kennen das als Vb-Wetterlage (gesprochen „fünf b") Auch andere Extremereignisse dürften auf sich verändernde Luftströmungen zurückgehen.

So könnten künftig heiße und kalte Luftmassen über Deutschland ebenso so heftig aufeinander prallen wie im Mittleren Westen der USA. Als Folge ziehen dort regelmäßig Tornados über das Land. Diese verheerenden Wirbelstürme dürften sich dann auch bei uns häufen.

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